Der Algarve ist nicht nur ein uraltes Siedlungsgebiet der Menschheit, sondern es gibt noch andere sichtbare Spuren längst vergangener Zeiten. Man kann sie draußen sehen und berühren. Sie sind Bestandteil der Naturgeschichte dieser Region.
Was ich meine, das sind sichtbare Spuren der Erdgeschichte und des Lebens auf dieser Erde aus Zeiten weit vor Beginn dessen, was wir Geschichte nennen. Selbstverständlich gibt es das auch bei uns zuhause. Aber das ist ja nicht das Thema dieses Blogs. Ich möchte hier ein paar Anregungen posten, um selbst weiter nach dergleichen Dingen Ausschau zu halten. D. h. ich will nicht nur den Leser dazu anregen, sondern auch mich selbst.
Natürlich laufen wir alle auf Gesteinen, Böden, Sanden und anderen Materialien herum, die in Jahrtausenden, vielleicht sogar Jahrmillionen oder vor Milliarden von Jahren entstanden sind. Selbst das Bitumen, das das Material im Asphalt der Straßen bindet, wird nicht nur aus Erdöl hergestellt, sondern kann auch aus natürlichen Vorkommen abgebaut worden sein. Aber darum geht es hier selbstverständlich nicht. Es geht um den natürlich gewachsenen Anteil des Untergrundes, auf dem wir uns bewegen.
Da sind zum Beispiel die Gesteine der Serra. Ohne auf die diversen verschiedenen Schieferarten, Kalksteine, Sandsteine, Granite usw. eingehen zu wollen, finde ich, dass man nicht vergessen sollte, dass dieser Untergrund durch verschiedene geologische Abläufe in Urzeiten entstanden ist. Er ist ein Bestandteil der Entwicklung dieser Erde.
An der Westküste, dem Ende Europas also, kann man an manchen Stellen die gewaltigen geologischen Kräfte erahnen, die im Spiel gewesen sein müssen, um diese Landschaft so zu formen, wie wir sie heute vor uns haben. Immerhin befindet sich der Algarve in der Nähe des Randes der Eurasischen Platte. Der liegt an vielen Stellen nur einen guten Kilometer vor der Küste. Dadurch, dass sich so nah die afrikanische Platte darunter schiebt, kommt es des Öfteren zu kleinen Erdbeben. Vor den schräg liegenden Schichten zu stehen und sich vorzustellen, wie sie emporgedrückt worden sind, das beeindruckt mich immer wieder. Wer sich ein wenig schlau gemacht und ein bisschen seine Wahrnehmung trainiert, kann solche und ähnliche Vorgänge natürlich auch in deutschen Landschaften sehen.
Ein anderes Zeugnis längst vergangener Zeitalter sind auch die Sedimente des Westalgarve. In dieser so genannten Felsalgarve kann man massenhaft die Reste von Lebewesen finden, die zu einer Zeit gelebt haben, in der die Erde sich aus unserer kurzlebigen Sicht noch in einem Urzustand befand. Die enthaltenen Muschelschalen, Schneckenhäuser und anderen Überbleibsel weisen ein Alter von um die 300 Millionen Jahre auf. 300 Millionen Jahre. Sie sind nicht nur Zeugen eines Lebens auf Erden in uralter Zeit, sondern auch der geologischen Veränderungen. Denn zur Zeit ihres Lebens befand sich das Land, das jetzt Algarve heißt, noch in der Nähe des Äquators. Es ist durch das Auseinanderbrechen des Urkontinents und die Kontinentalverschiebung zu unseren Zeiten da angekommen, wo wir nun gerne Urlaub machen.
Hier mitten in der Urzeit zu stehen und doch im Heute zu sein, sich vorzustellen, wie es wohl ausgesehen haben und abgelaufen sein mag: er ehrlich gesagt, das kann ich nur ansatzweise.
Aber es ist mir immer wieder ein gutes Stück Zeit wert, mich an solchen Stellen aufzuhalten. Dort der Fantasie nachzuhängen, wie es wohl gewesen sein könnte, und gleichzeitig das, was vor solch unvorstellbaren Zeiträumen entstanden ist oder gelebt hat, sehen und berühren zu können, das zieht mich an. Das alles zusammen ruft ein Gefühl der eigenen Kleinheit inmitten dieser gigantischen Geschehnisse hervor und tankt doch die eigenen Kräfte auf eine undurchschaubare Art ganz gewaltig auf.